Die Strabag errichtet direkt neben der Berliner Gedächtniskirche den Hochhauskomplex Upper West. Der Turm (im Bild links) soll 2017 eröffnet werden und wurde bereits an einen Investor verkauft.

Visualisierung: Strabag

Hopfentouristen und Immobilienpinguine gaben sich die Klinke in die Hand. Kaum war das Oktoberfest überstanden, verwandelte sich München in ein wieder einmal überteuertes Pflaster mit deutlichem Überhang an Nadelstreif und Businesskostüm. Von 6. bis 8. Oktober - die Nacht von Montag auf Dienstag gilt als das lukrativste Datum in der Münchner Hotellerie - ging die Expo Real 2014 über die Bühne. Mit 1655 Ausstellern und knapp 37.000 Besuchern reihte sich die 17. Internationale Fachmesse für Immobilien und Investitionen unauffällig in die Statistik der letzten Jahre.

"Der größte Unterschied zu den Vorjahren besteht darin, dass die Messe insgesamt internationaler wurde", erklärt Messe-Geschäftsführer Eugen Egetenmeir. 74 Nationen waren vertreten, die größten Zuwächse erkennt er in den Core-Märkten London, Paris und Deutschland.

Trend zu B- und C-Märkten

Zwei generelle Trends sind in der Branche zu beobachten - und beide haben wohl damit zu tun, dass die klassischen Asset-Klassen in den Prime- und Core-Märkten einen Sättigungsgrad zu erreichen scheinen. Einerseits drängen Investoren in große und mittelgroße europäische Regionalstädte, die sogenannten B- und C-Märkte. Andererseits fließt immer mehr Geld in Wohn- und Wohnspezialimmobilien wie Studentenheime und Hospitality-Immobilien.

"Pflegeheime, Seniorenwohnungen und Arzthäuser stellen sich als interessante Anlageform heraus, was Spiegelbild der Überalterung unserer Gesellschaft ist", sagt der Messe-Chef in einer Mischung aus Analyse und Zukunftswunsch. "Ich rechne damit, dass dieser Trend noch deutlich zulegen wird." An der Erschließung neuer Märkte führe langfristig ohnehin kein Weg vorbei.

"Die Kapitalmärkte sind weltweit so niedrig verzinst, dass wir einen regelrechten Run auf Immobilien sehen", meint Jan Linsin, Senior-Director und Head of Research Germany bei CBRE, auf Anfrage des Standard. "Vor allem die Secondary-Standorte in der zweiten Reihe haben in den ersten beiden Quartalen 2014 extreme Zuwachsraten verzeichnet. Es kommen immer mehr Portfolios mit Assets in den Regionalstädten. Damit ist Deutschland - auch jenes außerhalb der Top-fünf-Städte - einer der derzeit heißesten Märkte."

Deutsche Städte profitieren

Was auch Eri Mitsostergiou, Commercial-Research-Analystin beim internationalen Dienstleister Savills, bestätigt: "In den ersten drei Quartalen waren die Märkte in Gesamteuropa sehr aktiv. Profitiert davon haben vor allem die deutschen Städte."

Und das war auf der Messe nicht zu übersehen. Präsentiert wurden Shoppingcenter in Aachen (Aquis Plaza, 130 Shops, Eröffnung 2015, ECE), Bielefeld (City Passage, 100 Shops, 2016, ebenfalls ECE), Garbsen (Neue Mitte Garbsen, 110 Shops, on hold, Sonae Sierra) sowie unzählige Mixed-Use-Quartiere in entlegeneren Großstadtlagen und zentralen bis mäßig zentralen Arealen in Regionalstädten.

Aus der Masse der Renderings und Modelle herausgestochen sind vor allem das Milaneo in Stuttgart sowie das Upper West in Berlin-Charlottenburg. Ersteres ist ein Mischprojekt der Bayerischen Hausbau in Zusammenarbeit mit Strabag und ECE Projektmanagement (43.000 m² Verkaufsfläche, 200 Shops, Hotel mit 160 Zimmern und 417 Mietwohnungen). Es wurde 2013 mit dem Mipim Award "Best Future Mega Project" ausgezeichnet. Die Eröffnung war punktgenau getaktet und fand einen Tag nach Ende der Expo Real statt.

Österreich als "Safe Haven"

Beim Hochhauskomplex Upper West in Berlin, den die Strabag neben dem kürzlich eröffneten Bikini West errichtet, handelt es sich um einen 34-geschoßigen Turm mit 45.000 m² Mietfläche samt angeschlossenem Riegelbau mit weiteren 10.000 Quadratmetern Büro und Retail. Die Baugrube ist schon ausgehoben.

Obwohl Upper West erst Anfang 2017 eröffnet werden soll, sind laut Thomas Hohwieler, Geschäftsführer der Strabag Real Estate GmbH, 60 Prozent des Towers bereits vermietet. Über den Office-Mieter hüllt man sich noch in Schweigen. Fix ist: In den ersten 17 Geschoßen wird Motel One mit 582 Zimmern sein bislang größtes Hotel in Betrieb nehmen.

"Normalerweise veräußern wir unsere Projekte erst kurz vor Fertigstellung", erklärt Hohwieler. "Doch in diesem Fall haben wir das Objekt bereits im Sommer an die US-amerikanische RFR Group verkauft." Die Investitionssumme des Mammuthauses beläuft sich auf rund 300 Millionen Euro. Bei der Frage nach der Kaufsumme setzt Hohwieler ein strahlendes Lächeln auf: "Es war für beide Seiten ein schönes Geschäft."

Überschuss in Warschau

Neben unzähligen Projekten in Deutschland und auch in der Alpenrepublik, die Egetenmeir als einen neuen europäischen Core-Markt preist (" Österreich zählt mittlerweile zu den Safe Havens, zu den absoluten Lieblingen der Investoren"), fiel der Fokus der diesjährigen Projekte auf CEE und SEE, vor allem auf Polen. "Die Investitionen in Zentral- und Osteuropa, Russland ausgenommen, haben sich im Vergleich zu 2013 mehr als verdoppelt", erläutert Hela Hinrichs, National Director EMEA Research bei Jones Lang LaSalle. "Ein großer Teil davon ist nach Polen geflossen, nach Warschau natürlich, aber auch in die Sekundärstädte. Dieses Land hat sich extrem gewandelt. Ich würde Polen als inzwischen reifen Markt bezeichnen."

Viele Projekte befinden sich in Bau oder sind in der Pipeline, wobei vor allem Warschau nach Einschätzung von Experten derzeit noch an einem Überschuss an exklusiven Wohn-, Büro- und Retailflächen leidet. "Polen war bis vor einigen Jahren noch ein schöner blauer Ozean für die Investoren", meinte Marek Koziarek, Managing Director Structured Finance and Real Estate bei der Bank Pekao, im Podiumsgespräch. "Doch nun ist der Warschauer Markt nur noch ein blauer Ozean für die Mieter, die hier die Qual der Wahl haben. Die Investoren konzentrieren sich auf die Regionalstädte." Eines der größten Projekte: Die Neuentwicklung des Lódzer Stadtzentrums, wo auf 100 Hektar ehemaliger Gleis- und Industriefläche ein Multifunktionsquartier entstehen soll (der Standard berichtete).

Feiern und Depression

Vielen Märkten war heuer zum Feiern zumute, keine Frage. Anderen aber stand die Depression ins Gesicht geschrieben. Absolutes Schlusslicht und Verlierer der diesjährigen B2B-Immobilienmesse war Russland. Die Messestände von Moskau, St. Petersburg und Krasnodar waren - bis auf eine in russischer Sprache abgehaltene Pressekonferenz - leer.

Da hilft auch die mit Stolz präsentierte neue russische Asset-Klasse der Heliports nicht weiter, die Denis Butsaev, Minister für Investments und Innovation der Region Moskau, präsentierte: "20 Hubschrauberstationen befinden sich in und rund um Moskau derzeit in Bau."

Wenig überraschend sind die Investitionen in Russland im Vorjahresvergleich um 80 Prozent gefallen, rechnet Hinrichs von Jones Lang LaSalle vor. "Das sind die Konsequenzen der Politik und der Sanktionen der EU und der USA. Die Folgen sind unübersehbar."

Markt im Umbruch

Resümee des Oktoberfests der Immo-Wirtschaft: Auch wenn die Einschätzungen im Detail auseinandergehen, ist ein Faktum unbestritten: Der Markt befindet sich im Umbruch und verlagert sich von klassischen Objekten in Toplagen hin zu weniger klassischen Objekten in zweiter Reihe.

Das Statement ist gesetzt. Nächstes Jahr wird man eine erste Zwischenbilanz ziehen können. (Wojciech Czaja aus München, DER STANDARD, 11.10.2014)